Der Segen des christlichen Glaubens

■ Vor kurzem ging ich in England in einem Bootshafen spazieren. Da bin ich von einem der Passanten auf eine sehr freundliche Weise angesprochen worden. Dieser Mann erkundigte sich, ob er mir eine Frage stellen dürfte. Das Anliegen des Mannes, der sich als jemand vorstellte, der zwar ein Kirchen-, Schloss- und Burgrestaurateur aber dennoch ein Atheist sei, bestand darin, dass er wissen wollte, was denn der Grund des Glaubens an Gott sei, wie man überhaupt glauben könne, wie ich denn zum Glauben gekommen sei.
Daraufhin entschloss ich mich, kein theologisches Referat abzuhalten, sondern erzählte ihm einfach den eigenen Weg, wie ich in jungen Jahren den Glauben erlebte und wie eine konkrete persönliche Erfahrung der Nähe Gottes im Teenageralter mein ganzes weiteres Leben nachhaltig prägte. Dieser Engländer hörte aufmerksam zu und bedankte sich danach auch ausdrücklich für die betreffenden Ausführungen. Mein Eindruck war, dass beim Zuhören in seinen Augen auch ein bisschen Wehmut zu erkennen war. Jedenfalls schien er ausgesprochen erfreut darüber gewesen zu sein, auch mal diese Sicht der Dinge gehört zu haben. Nachdem wir uns danach noch über eine spezielle Frage der katholischen Religion unterhalten hatten, lud er mich sogar auf sein Boot ein, wo wir zusammen mit seiner Ehefrau noch Tee tranken und uns weiter unterhielten.
Durch diesen Fall wurde mir danach einmal mehr bewusst, welch eine großartige Gnade der Glaube als solcher denn sei bzw. für uns darstelle, welches außergewöhnlichen Privilegs wir uns da erfreuen dürfen, ja sogar unbedingt sollten! Ohne natürlich zu wissen, ob und gegebenenfalls welche Fehler auf diesem Gebiet der betreffende Mann zuvor in seinem Leben getan hatte, die ihn nicht haben zum Glauben kommen lassen, haben seine teilweise auch wehmütig erscheinenden Augen mir angezeigt, dass es sicher nicht gar so wenige nicht gläubige Menschen gibt, die vielleicht auch selbst gern glauben würden, aber aus welchem Grund auch immer nicht dazu kommen. Der Glaube ist zweifelsohne eine Gnade Gottes, die wir nicht hoch genug schätzen können!
Wir als gläubige Christen dürfen Gott als das höchste Wesen in der übernatürlichen Fülle Seiner ganzen sittlichen Vollkommenheit erkennen: Seine unendliche Güte, Seine unbegreifliche Liebe, Seine ergreifende Barmherzigkeit, Seine alles irdische Maß übersteigende Gerechtigkeit! Man verinnerliche bitte für einen Augenblick diese Wahrheit. Und zwar begegnen wir Gott in unserem Leben nicht nur etwa nach der Art einer grauen Theorie, sondern haben hoffentlich auch schon wiederholt eine entsprechende und unser Leben dann nachhaltig prägende Erfahrung machen dürfen, wie segensreich und erfüllend sich nämlich der Glaube für uns bereits ausgewirkt hat - sowohl in unserem Alltagsleben generell als auch in besonderen und vielleicht eben ganz kritischen Situationen speziell!
Das ist ein riesiges gnadenhaftes Privileg, welches wir doch nur dank der unbegreiflichen Vorsehung Gottes erhalten, ohne es letzten Endes wirklich verdient zu haben. Natürlich muss der Mensch mit der göttlichen Gnade auch unbedingt mitwirken, damit sich die Gnade konkret entfalten und somit wirksam werden kann. Dennoch liegt es letztendlich nicht an uns, dass wir bereits in verschiedenster Hinsicht Verhältnisse angetroffen und mit Gelegenheiten konfrontiert worden sind in unserem Leben, die sich günstig auf die Entstehung und Entfaltung unseres Glaubens ausgewirkt haben. Haben wir denn irgendein Verdienst daran, dass wir z.B. in eine katholische Familie hineingeboren worden sind und seit klein auf positiv im Glauben angeleitet worden sind? Oder ist es etwa unsere eigene Leistung, wenn uns jemand einen heilsamen Hinweis auf einen wichtigen Umstand gibt, der sich dann förderlich auswirkt für unser Glaubensleben?
Wie viele Menschen gibt es denn gerade heutzutage, die leider nicht solche günstigen Voraussetzungen angetroffen haben? Wie viele Menschen sind da z.B. auch in die Irre des Modernismus gegangen, weil sie niemand in ihrer Umgebung hatten, der sie auf die volle und unveränderbare katholische Wahrheit bzw. auf das Verkehrte der modernistischen Ideen hingewiesen hätte? Wie bei jenem Herr oben trifft man immer wieder mal Menschen, die vielleicht auch selbst gern glauben würden, es aber bisher leider noch nicht hinbekommen haben (aus welchem Grund auch immer) ...und die, die einen gesunden Glauben haben, eben ob dieses ihren Glaubens sogar wirklich positiv beneiden. Dies darf für uns kein Grund zur Überheblichkeit sein, sondern soll uns zu noch mehr Dankbarkeit, Demut und Bescheidenheit vor Gott anleiten!
■ Bedenken wir doch bitte, dass wir zu Gott ganz vertraulich “Vater” sagen dürfen! Als Jesus in der Bergpredigt über das Beten sprach, leitete Er die Apostel folgendermaßen an: “So sollt ihr nun beten: ‘Vater unser, der du bist im Himmel...’” (Mt 6,9). So dürfen wir von Gott zuvörderst als von unserem himmlischen Vater denken, der uns nicht nur den rechten Weg weist, sondern sich dann auch väterlich um uns sorgt und uns mit Seiner selbstlosen und schützenden Liebe umgibt! Wie tröstend und beglückend ist es zu wissen, dass man sich in den Händen eines Vaters geborgen fühlen darf, der sowohl selbst vollkommen ist als auch nur Gutes im Schilde hat!
Wie viel an gesundem Vertrauensverhältnis in der Beziehung zwischen dem allmächtigen und barmherzigen Gott auf der einen und der menschlichen Seele auf der anderen Seite liegt in dieser Bezeichnung! Wir müssen also keine sklavische Angst (mehr) vor Ihm haben, als wäre Er etwa ein willkürlicher Herrscher oder rachsüchtiger Gebieter, der uns lediglich zum eigenen Vorteil und nach eigenem Gutdünken herumkommandieren möchte. Nein, wir können Ihm mit echter Liebe, tiefer Ehrfurcht und hundertprozentigem Vertrauen begegnen! (In welcher anderen Religion wird denn übrigens so wunderbar von Gott gedacht und gesprochen?)
Und wenn wir dann auch noch Sein konkretes Heilswirken betrachten, welches Er in der liebenden Hingabe Seines Eingeborenen Sohnes Jesus Christus zur Rettung des Menschengeschlechtes vollbracht hat, können wir nur unser Knie in Ehrfurcht vor Ihm beugen und mit der ganzen Hingabe unseres Herzens sowohl Seine geistige Größe bewundern als auch Seine unendliche Barmherzigkeit lobpreisen! Es ist ein gewaltiges Privileg, welches uns geschenkt worden ist, die tiefe Wahrheit des folgenden Satzes des Evangeliums verstehen zu können bzw. verinnerlichen zu dürfen: “So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen Eingeborenen Sohn dahingab, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe” (Joh 3,16)! Ja, wir dürfen die ewige und letztendlich unbegreifliche Liebe Gottes zu uns, den Menschen, anbeten und verherrlichen! Welch ein Segen ist es denn zu wissen, dass man von einem solchen selbstlos denkenden bzw. uneigennützig handelnden Gott geliebt werde!
Wie arm und leer wäre doch unser Leben geistig, wenn wir (ebenfalls) nicht auch die hohen sittlichen Ideale des Evangeliums Jesu Christi erkannt hätten bzw. uns nicht grundsätzlich von ihnen leiten lassen würden. Wie viele Menschen spüren denn gerade heutzutage schmerzhaft eine entsprechende große, ja gewaltige Lücke in ihrem Leben, weil sie nichts Ewiges und Beständiges haben, wonach sie ihr Herz wirklich und ganzheitlich ausrichten und dann auch den wahren und tiefen Sinn ihres Lebens finden könnten! Deswegen wohl auch die Hetze so vieler unserer Zeitgenossen, die sich dann bemühen, ihre geistige Leere nur noch mit möglichst mehr Macht, Geld und Lust zu betäuben... Erkennen wir also auch in dieser Hinsicht den immensen Wert des uns gewährten Gnadengeschenkes des Glaubens und lernen, es immer mehr zu lieben und zu schätzen.
■ Ja, wir haben ebenfalls viele (berechtigte) Sorgen in unserem Leben. Diese können bei uns wie bei allen anderen Menschen ganz verschiedenster Natur sein: um die Gesundheit und somit die eigene Leistungsfähigkeit, um den Beruf und somit die Haltung eines gesunden Lebensstandards, um die Familie, Ehe und gute Entwicklung der Kinder, um die Gesellschaft, um die katholische Kirche, um die eigene Kirchengemeinde usw. Wir wollen nicht naiv oder realitätsfremd sein und irrtümlicherweise meinen, der Glaube müsse solche Sorgen ganz automatisch oder wie von selbst beseitigen. Nein, an sich müssen wir uns dieser Sorgen nicht schämen.
Nur haben wir als katholische Christen im Unterschied zu den Ungläubigen den entscheidenden Vorteil, dass wir wissen, an Wen wir uns da wenden können und sollen, Wer uns da grundsätzlich helfen kann! Nicht wenige Menschen werden geradezu zerfressen von mannigfachen Sorgen um ihre Gesundheit und Existenz und verfallen unter Umständen sogar in tiefe Depressionen, weil sie nämlich keinen Rat finden, damit richtig umzugehen. Wir wollen uns sicherlich keiner Illusion hingeben, indem wir etwa meinen wollten, diese Sorgen würden uns nichts antun. Nein, sie belasten uns ebenfalls nicht wenig. Aber dennoch können wir durch Kämpfen, Ringen und Beten einen Weg finden, alle unsere Sorgen als eine Art Prüfung Gottes anzusehen, womit unser Glaube und unser Vertrauen auf den Herrgott sowohl sich bewähren sollen als auch sich dann noch weiter können “veredeln” lassen.
Und wenn wir dann beherzigen, was uns Jesus in der Bergpredigt darüber sagt, wie man sich nämlich mehr “um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit” und somit um die wahren Werte bemühen sollte (vgl. Mt 6,25-34), finden wir im Glauben auch die Kraft und die Gnade, zwar selbst alles Richtige zu tun, aber unsere Sorgen letztendlich dennoch auf den Herrgott zu werfen - im Vertrauen, dass Er Sein Wort hält und uns in Entsprechung zu Seiner weisen Vorsehung (auf welche Weise auch immer) beisteht (vgl. 1 Petr 5,7). Da fallen dann einem Zentner von den Schultern, wenn und weil man weiß, dass da Jemand da ist, der den Überblick über das gesamte Geschehen hier auf Erden hat (wir ja nur jeweils über einen ziemlich kleinen Bereich) und alles richtig und letztendlich auch zu unserem Besten (was auch immer es sein mag) zu lenken weiß. Ist das keine Gnade?
Ja, wir haben auch Leiden, Kreuze und Enttäuschungen in unserem Leben. Diese versetzen uns ebenfalls nicht so selten in eine kritische Situation, die den ganzen Menschen fordert und ihn u.a. auch veranlasst, eine Antwort auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Ereignisse zu suchen.
Ein gläubiger katholischer Christ leidet dann zweifelsohne auch darunter und stöhnt unter den körperlichen wie seelischen Schmerzen - daran ist nichts Beschämendes. Aber wenn man Gott in seinem Leben hat und bedenkt, dass das stellvertretende Leiden Jesu Christi als des unschuldigen Lammes Gottes letztendlich die Befreiung vom Bann der Unterwelt und somit unsere Erlösung von der Knechtschaft der Sünde bewirkt hat, dann weiß man, dass auch unser Leiden eine (zum Teil) heilende Sühnewirkung haben kann, sofern unsere entsprechende Intention von der Liebe zu Gott geprägt und bestimmt ist. Wie viele edle Christenseelen haben uns denn nicht schon ein leuchtendes Beispiel eines heroischen Kreuztragens gegeben, womit sie nicht nur im Hinblick auf uns so manches Unrecht gesühnt und so manchen Segen vermittelt haben, sondern auch selbst zu einer viel erhabeneren Stufe der Gottverbundenheit gelangt sind!
So vermittelt auch uns der gesunde christliche Glaube die tiefe Überzeugung, dass auch unser in echter Liebe und festem Gottvertrauen getragenes Leid und Kreuz nicht umsonst oder sinnlos sind, sondern sich sowohl für uns selbst als auch für die anderen segensreich auswirken können, wenn wir ebenfalls die Kraft und den Mut aufbringen, sie Gott heldenhaft als ein ehrliches Zeichen unserer ganzheitlichen Hingabe an Ihn aufzuopfern. So bewahrheitet sich dann lebensmäßig auch an uns, was der hl. Apostel Paulus zu diesem Thema sagt: “Freilich gilt die Predigt vom Kreuz denen, die verloren gehen, als Torheit, uns aber, die gerettet werden, als Gottes Kraft” (1 Kor 1,18). Jesus hat es uns sowohl gepredigt als auch vorgelebt, dass die Bosheit an sich nämlich nur durch (große) Liebe besiegt werden kann - bei einem gottliebenden Menschen folgt auf den jeweiligen Karfreitag auf irgendeine Weise immer auch der Ostersonntag!
Und wie hoffnungslos oder sogar verzweifelt müsste man denn sein, wenn man nicht wüsste, welchen Sinn und welche Bedeutung ein Kreuz im Leben haben kann bzw. für einen gläubigen Christen erhalten soll - man müsste das Leid geradezu als ein brutales Vernichten von Leben ansehen! Der Mensch braucht aber wesentlich Hoffnung in seinem Leben, dass sich alles nämlich auf welche Weise auch immer wieder richtig fügt. Und da hat ein Jünger Jesu einen entscheidenden Vorteil, weil er sich dessen bewusst ist, dass gerade im Leiden und Sterben Jesu das Samenkorn des neuen Lebens, des übernatürlichen ewigen Lebens mit dem Heiligen Gott, begründet liegt! So führt ja Jesus in Bezug auf uns bezeichnenderweise aus: “Wer Mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und so folge er Mir! Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um Meinetwillen verliert, wird es finden. Denn was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber dabei sein Leben verliert?” (Mt 16,24-26)
So bedenke man z.B. auch, wie wir bei erlebtem starkem Unrecht oft enttäuscht und erschüttert sind. Da bebt bisweilen unsere ganze menschliche Natur und sucht händeringend nach Gerechtigkeit. Und wenn man sie dann trotz aller unserer eifrigen Bemühungen dennoch nicht finden sollte hier auf Erden, zerbricht man als schwacher Mensch daran nicht so selten gern auch persönlich. Wie hilfreich ist es dann zu wissen, dass es in jedem Fall einen höhere Gerechtigkeit gibt, die sich z.B. auch von keiner menschlichen Unredlichkeit beeinflussen oder von Verlogenheit korrumpieren lässt und auf die unbedingt und felsenfest Verlass ist! Welcher Trost war dieser Glaube an Gott als die höchste moralische Instanz im Lauf der Geschichte für so viele unschuldig leidenden Christen, die bisweilen sogar alles verloren haben (auch ihre Ehre vor Menschen), aber dennoch den wahren Frieden der Seele bewahren bzw. wiederfinden konnten!
Ja, der Glaube ist wahrhaft ein Segen und eine Gnade. Erkennen wir immer mehr diese Grundwahrheit und schätzen und verinnerlichen wir dieses Geschenk. Lassen wir uns auch und gerade in Zeiten einer schweren Prüfung nicht gänzlich vereinnahmen von der Schwere des jeweiligen Kreuzes, sondern richten wir unseren Blick dabei auch auf die große Wahrheit, dass Gott in Seiner Vorsehung für uns nämlich nicht nur ein Leid zugelassen hat, sondern im Glauben zugleich auch einen Weg aufzeigt, das betreffende Kreuz im Geiste Christi, des göttlichen Erlösers, sowohl zur Ehre Gottes als auch zum Heil unserer Seele auch zu überwinden!
Wie arm sind da die Menschen, die keinen solchen Glauben haben! Vergessen wir deshalb auch nicht, sowohl ihrer als auch der ganzen wegen ihrer Gottesferne in Schmerzen liegenden Welt in unseren Gebeten zu gedenken. Und gerade diese Tatsache, dass unser Herz nämlich aufrichtig beten kann, unterstreicht das Segensreiche und Positive des christlich-katholischen Glaubens. Wie schlimm wären wir denn dran, wenn wir nicht mehr beten und somit unser Herz nicht mehr in Anbetung, Dank und Bitte zum Herrgott erheben könnten? Danken wir Ihm daher auch immer aufrichtig dafür, dass Er uns in der Unergründlichkeit Seines göttlichen Ratschlusses gerade dieses große Geschenk des Glaubens gemacht hat: “O Tiefe des Reichtums und der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind Seine Ratschlüsse, wie unergründlich Seine Wege! Denn wer erfasst die Gedanken des Herrn? Wer ist Sein Ratgeber? Wer gibt Ihm zuerst, was ihm vergolten werden müsste? Aus Ihm und durch Ihn und für Ihn ist alles. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.” (Röm 11,33-36)

P. Eugen Rissling

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